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16.15 / Wohnhaus Steinwiesenstrasse, Schlieren

Die erste eigene Wohnung für junge Menschen, eine Bleibe auf Zeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Biotech-Branche oder eine zentral gelegene Wohnung für ältere Personen – am Standort des ehemaligen Depots der PanGas AG an der Steinwiesenstrasse in Schlieren sind vierzig Wohnungen mit ein bis drei Zimmern an einem Gartenhof geplant.

Machbarkeitsstudie 2016
Fertigstellung 2021

Planungsteam
Auftraggeber – Fundamenta Group
Architektur – op-arch | Stefan Berle, Nick Zürcher
Landschaftsarchitektur – mavo gmbh
Bauingenieur – Marti + Dietschweiler AG
HLKS-Ingenieur – Schoch Reibenschuh AG
Elektro-Ingenieur – Erdin Elektroplanung GmbH
Baumanagement – LBM Partner AG
Totalunternehmer – GENU Partner AG

Fotografie – Hari Pulko

Projektbeschrieb

Die erste eigene Wohnung für junge Menschen, eine Bleibe auf Zeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Biotech-Branche oder eine zentral gelegene Wohnung für ältere Menschen – am Standort des ehemaligen Depots der PanGas an der Steinwiesenstrasse in Schlieren sind vierzig Wohnungen mit ein bis drei Zimmern an einem Gartenhof geplant. 

Was bedeutet eine besonders gute Gestaltung von Bauten und Anlagen, so wie dies im Gestaltungsplan „Schlieren West“ gefordert wird? Was bedeutet eine besonders gute architektonische Gestaltung in einem suburban geprägten Kontext? Die Antwort auf diese Fragen gestaltet sich innerhalb eines heterogenen Gefüges besonders anspruchsvoll. Zahlreiche Themenkreise müssen einen Beitrag zur Antwort leisten: Die städtebauliche Reaktion auf den Kontext, die Erschliessung und Aussenraumqualität, die architektonische Gliederung und Materialisierung, gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge wie auch der Anspruch an die Zukunftsfähigkeit der Anlage und ein haushälterischer Umgang mit den Ressourcen.

Städtebau. Die unmittelbar angrenzenden Nachbarbauten im Osten und Süden des ehemaligen PanGas-Depots sind funktional geprägte Gewerbebauten. Gegen Westen ist über die Herrenwiesenstrasse die räumliche Weite des Limmattals spürbar. Im Norden liegt die räumliche Öffnung des Pocket-Parks, eines wichtigen Bestandteils der Abfolge öffentlicher Räume entlang der Parkallee. Diese Lagequalitäten führen zu einer winkelförmigen Volumetrie entlang der Quartierstrassen. Öffentliche und private Räume werden präzise unterschieden. Der lange Schenkel des Winkels zeigt der Herrenwiesenstrasse sein Gesicht und schaut in die räumliche Weite im Westen. Der kürzere Schenkel ist dreiseitig orientiert und als Übergang zum Nachbargebäude von der Strasse zurückgesetzt und um ein Geschoss niedriger ausgebildet. Der Hauptzugang des Neubaus liegt vis-à-vis des Parks an der Schnittstelle der zwei Gebäudeflügel. Im Innern des Grundstücks, durch drei räumliche Fugen betretbar, liegt der private Gartenhof, der auch den Nachbarbauten Raum lässt. Er bietet den Bewohnern einen grosszügigen, vielfältig nutzbaren gemeinschaftlichen Aussenraum, für die Wohnungen schöne Zugangssituationen, Aussichten, gute Belichtung und Ruhe.

Architektur. Das Raumprogramm enthält vierWohnungen mit einem, zwei oder drei Zimmern und ist damit ein Abbild heutiger Wohnbedürfnisse, mit einem vielfältigen Raumangebot für ein gemischtes Publikum von jung bis alt. Der Neubau bezieht sich in seiner Gestalt auf die Nachbarbauten innerhalb seines Strassengevierts und erscheint als selbtbewusstes städtisches Gebäude. Sein Ausdruck ist nebst der differenzierten Volumetrie durch das klassische Thema von Sockel und Schaft geprägt: einer soliden Verankerung auf der Stadtebene und differenzierten Bezugnahme der Innenräume auf die Umgebung. Dies manifestiert sich auch in der sorgfältigen Platzierung der Balkone, welche die Seitenfassaden des längeren Gebäudeschenkels prägen. Die Materialwahl erinnert an die gewerbliche Vergangenheit des Grundstücks. Über dem glatten Sockel lösen sich die Fassaden in feingliedrige Strukturen auf. Das Zusammenspiel der gewellten Faserzementhaut mit den Sonnenschutzvorhängen und den fein gerasterten, halb durchlässigen Balkon- und Fensterbrüstungen erzeugt einen textilen Charakter, der Leichtigkeit und Wohnlichkeit ausstrahlt. Die Transformation zur Wohnnutzung vollzieht sich in selbstverständlicher Weise.

Die Grundrisse vereinen ökonomische und funktionale Qualitäten. Trotz sparsamem Flächenkonsum entstehen hohe Wohnqualitäten. Das zeigt sich am Beispiel der Einzimmerwohnungen: Der Koch- und Essbereich kommuniziert mit dem möblierbaren Laubengang, der Wohnbereich mit dem privaten Balkon, während der Schlafbereich als vollwertiger Rückzugsraum funktioniert, einfach abtrennbar mit einem Vorhang. Alle Wohnbereiche – Schlafen, Wohnen, Küche und Bad – verfügen je über eine eigene Fensterlüftung. Zusätzlich erhält jede Wohnung eine individuell steuerbare Lüftungseinheit. Einen wichtigen Beitrag für die Wohnqualität leisten auch die übrigen Ausstattungen: die Küchenzeile am Fenster bildet zusammen mit den seitlichen Hochschränken eine Wohnküche. Ein Garderoben- und Putzschrank und eine Kombiwaschmaschine im Bad ergänzen das Angebot. Die Materialisierung im Innern ist hochwertig und langlebig. Eingefärbte Anhydritböden im Kombination mit lasierten Betondecken und verputzten Trennwänden sorgen zusammen mit den grosszügigen Fensterfronten für eine helle, wohnliche Raumstimmung.

Aussenraum. Mit vertrauten Mitteln reagiert der Freiraum auf das Quartier: Entlang der Herrenwiesenstrasse sorgt eine Schnitthecke für Privatheit der Erdgeschosswohnungen, das neu bis zur Steinwiesenstrasse geführte Trottoir verläuft zwischen dieser Hecke und der durch eine Ahornreihe rhythmisierten Längsparkierung der Besucher-Parkplätze. Zur Steinwiesenstrasse hin markiert eine charaktervolle Baumgruppe aus leichtblättrigen Zitterpappeln und einzelnen Schwarzkiefern den grosszügigen Vorplatz und kommuniziert mit dem Pocket-Park. Im Gegensatz zu diesen städtischen Freiraumcharakteren ist der Hof gärtnerisch geprägt: Ein Saum aus vielfältigen, blühenden Vegetationsschichten definiert die Grenzen zu den Nachbarn und spielt die leere Mitte mit dem Wiesenteppich frei. Die lateralen Bewegungsflächen sind in unterschiedlichen Kiesbelägen ausformuliert. Gegen Süden schliesst ein durchschreitbares Gräser-Band sowie eine vorgelagerte Baumgruppe aus mehrstämmigen Amelanchiern den Hof ab. Eine Baumreihe aus Säulenkirschen schafft zusammen mit der berankten Pergola eine Filterwirkung zum Gewerbebau und bietet zusätzliche Treffpunkte im Gartensaum des Hofes. 

Erschliessung und Entsorgung. Die Langsamverkehr-Erschliessung erfolgt hauptsächlich via Hauptzugang an der Steinwiesenstrasse und ist damit optimal an die Parkallee angebunden. Hier befinden sich Treppe und Lift zu den Laubengängen, die Briefkastenanlage und die Velostation. Eine zweite Treppe im Süden verbindet den Laubengang mit dem Hofraum - sie ist auch möglicher shortcut zum öffentlichen Verkehr an der Badenerstrasse. Die Zufahrt des motorisierten Individualverkehrs erfolgt ab Steinwiesenstrasse direkt in die Tiefgarage. Die Besucherparkplätze sind entlang der Herrenwiesenstrasseangeordnet, an der Strassenkreuzung sind ein Unterflur- und ein Grüncontainer im Heckensaum integriert.

Soziales Leben. Wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Hausgemeinschaft sind die eindeutigen Zuordnungen und Abgrenzungen von öffentlichen, halbprivaten und privaten Räumen. Der Vorplatz vor dem Hauptzugang ist so öffentlich wie der gegenüberliegende Park - er  bietet Raum zum informellen Treffen zwischen neuer Siedlung und Nachbarschaft. Die Raumfugen beim Hauptzugang und den beiden Gebäudeenden markieren den Übergang zu den gemeinschaftlichen Räumen für die Bewohner: die grosszügige Velostation mit Werkstattecke und Ladestationen für e-Bikes, der Gartenhof mit differenzierten, exponierteren und geschützteren Aufenthaltsorten die überbreiten, zum Aufenthalt nutzbaren Laubengänge am Hofraum und auf dem Dach die Gemeinschaftsterrasse leisten einen Beitrag für ein lebendiges Zusammenleben und eine gute soziale Kontrolle. Die Wohnungen profitieren direkt von diesen Qualitäten sind aber private Rückzugsräume. Wie viel Ein- oder Aussicht gewährt wird entscheidet jeder Bewohner für sich selbst.

Nachhaltigkeit. Die schlanke Umsetzung des einfachen Massivbaus mit geringen Spannweiten und sich wiederholenden Regelgeschossen prägt das gesamte Bauwerk und zielt auf einen geringen Einsatz grauer Energie ab. Wo immer möglich wird auf unnötige Elemente verzichtet. Die Fassadenbekleidung ist leicht und unterhaltsfreundlich. Rafflamellen- und Stoffstoren übernehmen den Sonnenschutz. Die Laubengänge sind abgestützt, Regenwasser wird gespeiert. Frei gestellte Küchenzeilen, unverputzte Decken und langlebige Bodenbeläge prägen den Innenausbau. Der Fernwärmeanschluss, die dezentralen kontrollierten Lüftungseinheiten mit integrierter Wärmerückgewinnung kombiniert mit Küchenumluft sorgen für ein nachhaltiges Energiekonzept, das ausschliesslich erneuerbare Energien nutzt. Auch die flächenoptimierten Grundrisse tragen massgeblich zu einer guten Energiebilanz bei. Durch die tragenden Aussenwände und weitgehend stützenfreien Räume ist das Gebäude bei geänderten Bedürfnissen in Zukunft einfach anpassbar.

Epilog. Die Antwort auf die einleitende Frage der besonders guten Gestaltung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Gebäudefigur fügt sich respektvoll ein und bildet eine Abfolge von attraktiven öffentlichen, gemeinschaflichen und privaten Aussenräumen. Die Umgebungsgestaltung ebenso wie die Erschliessung als stetig privater werdende „promenade architecturale“ übernehmen diese Thematik, unterstützt von einer robusten, haptisch ausdrucksstarken Materialisierung, die diese Übergänge sichtbar macht, eine hohe Wohnlichkeit ausstrahlt und eine überzeugende Transformation zur Wohnnutzung auf dem Areal schafft. Gute Architektur bedeutet hier – nun in einem Satz – die Schaffung von hochwertigem Lebensraum für die künftigen Bewohner und die qualitätvolle Weiterentwiclung des Schlieremer Stadtkörpers.