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17.09 / Neubau HSW Hochschule für Wirtschaft der FHNW, Dreispitzareal, Basel

Das im Rahmen des Wettbewerbs entwickelte ECONOMARIUM® ist selbstverständlicher Teil der Stadt – ein transparentes Gefäss für Lehre, Forschung, Dienstleistung und Weiterbildung, das eine Interaktion der Nutzenden mit ihrer Umgebung erlaubt beziehungsweise unterstützt.

Gesamtleistungswettbewerb, 3. Rang, September 2017

Planungsteam
Auftraggeber – Finanzdepartement des Kantons Basel-Stadt, Immobilien Basel-Stadt
Architektur – ARGE op-arch mit Luca Selva Architekten | Michel Baumann, Safia Hachemi
Generalplaner – Priora AG
Projektbeschrieb


Opera aperta:

Eine inspirierende Hochschule für Wirtschaft HSW

Das «offene» Kunstwerk hingegen ist nicht eindeutig, es ist mehrdeutig. Es ist nicht fertig, wenn es den Künstler verlässt. Es fordert den Rezipienten zum Auswählen und Neukombinieren von Bedeutung auf. Erst in der Rezeption vollendet sich das Werk des Künstlers. Das offene Kunstwerk, Umberto Eco

Der Umzug der HSW vom Bahnhof ins Dreispitzareal kann zunächst als Standortnachteil verstanden werden. Er bringt aber auch die Möglichkeit, dass auf dem sich entwickelnden nördlichen Dreispitz ein richtig gutes Haus entstehen kann im Sinne einer nach innen und aussen ausgerichteten offenen Schule, welche die Menschen nicht verschluckt, sondern ganz im Unterschied zur heutigen Situation an der Nauenstrasse eine Interaktion mit dem Stadtraum zulässt.

Das ECONOMARIUM® versteht sich als selbstverständlicher Teil der Stadt und als transparentes Gefäss für Lehre, Forschung, Dienstleistung und Weiterbildung ganz im Sinne des Leistungsauftrages der FHNW. Hier verstehen wir die Hochschule für Wirtschaft als ein offenes, erst durch die Nutzer vollendetes Werk. Die Transparenz unterstützt diese Absicht. Das Haus und die Bewohner kommunizieren mit der Stadt in gelebter, tagtäglicher Interaktion. Die beiden klassischen Wahrnehmungsebenen einer Schule, die Aussen- und die Innenwahrnehmung, sollen aufgelöst werden. Mit einem eigenständigen Baukörper wird der Bedeutung der Schule als öffentlicher Bau im Dreispitzareal Ausdruck verliehen – das ECONOMARIUM® als spezielles Haus. Dafür werden Innenwelten geschaffen, die von unterschiedlichen Nutzern den Studierenden, den Dozierenden und den Gästen tagtäglich erlebt werden: Das Schulhaus als Cluster von Strassen, Plätzen und Häusern, als Hallengerüst einer Opernbühne gleich, als Idee der offenen Schule, mit Plattformen entlang der inneren Strassen, als gestapelter Stadtraum, Strasse und Haus, eine Erschliessung mit übersichtlicher Adressierung.

Die Studierenden, Dozierenden und Mitarbeitenden als wichtigste Akteure bleiben sichtbar, spürbar, und es entsteht die für eine Hochschule so wichtige atmosphärische Qualität, die gerade auch in der Studierendenakquisition eine zentrale Rolle spielt.

Realisierung:
Schnell bauen heisst rationell planen

Die kurze Bauzeit von 18 Monaten ist ambitioniert, und viel prägender wird die sehr kurze Planungszeit von kaum 12 Monaten vor Baubeginn sein. Schnell bauen heisst auch schnell denken und intelligent planen. Das vorliegende Projekt ist als System entwickelt worden. Tragwerk, Installationsstruktur und Raumsystem sind integral projektiert und geplant. Das Tragwerk wird vorfabriziert mit Stützen, Trägern und Platten. Es gibt keine Betonschalungen auf der Baustelle, keine Unterlagsböden und damit keine Feuchtigkeit im Haus. Mittig zwischen den Tragachsen liegt in jedem Feld und auf jedem Geschoss, vertikal übereinander, ein Schacht für jede Raumeinheit. So sind keine horizontalen oder vertikalen Etagierungen notwendig. Sämtliche Vertikalschächte und die auf den auf einzelnen Geschossen notwendigen Elektroverteilräumen sind mit den spezifischen Anforderungen der FHNW kompatibel, entsprechend dimensioniert und koordiniert.

Der Stadtteil Dreispitz:
Ein lebendiger Ort im Werden

Die städtebauliche Setzung folgt den Vorgaben des Programms. Das neue Gebäudevolumen fügt sich präzis in die räumliche Ordnung des Areals ein, das aufgrund der zukünftigen Entwicklung an der Nordspitze und am Walkeweg eine deutlich urbanere Prägung erfahren wird. Die Hauptausrichtung der neuen Hochschule erfolgt auf den Bordeaux-Platz. Hier werden die meisten Studierenden erwartet. Entlang der Nordseite des Hauses befindet sich der Hauptanteil der geforderten Veloabstellplätze. Die Autozufahrt erfolgt von der Dornacherstrasse her im Bereich des bestehenden Gebäudes der Feuerwehr. Aber vor allem zeigt sich am Bordeaux-Platz das offene Gesicht der Hochschule. Hier werden die Menschen sichtbar. Es gibt Terrassen, schattige Aufenthaltsorte und ruhige Raucherzonen.

Die Fassade zur Reinacherstrasse arbeitet mit den gleichen Motiven, nimmt sich aber bedeutungsgemäss in Ausdruck und Wirkung zurück. Die Pragstrasse wird zur «Güterstrasse» für Anlieferung während die Bordeaux- Strasse den Langsamverkehr aufnimmt. Sie wird über differenzierte Baumpflanzungen aufgewertet und erfährt durch die Zugänglichkeit zur Halle eine hohe Aufenthaltsqualität. Die Aufwertung des Standortes durch die neue Nutzung als Hochschule zeigt sich in der Ausgestaltung des Platzbelages in gegossenem rotem Gussasphalt, der in den vier ersten Geschossen des Hauses als Teppich weitergeführt wird und damit dem öffentlichen Anspruch der Hochschule für Wirtschaft Rechnung trägt.

Transparenz:
Die innere Organisation und die äussere Erscheinung

Das Gebäude versteht sich als eine nichthierarchische Plattform für Lehre und Forschung. Vor diesem Hintergrund steht das Verbindende im Mittelpunkt, was sich zunächst in der räumlichen Disposition niederschlägt. Herzstück des ECONOMARIUM® ist die lichtdurchflutete Halle, die sich durchgehend über sämtliche Geschosse erstreckt.

Diese Halle bringt Transparenz in alle Ebenen und versteht sich als städtischer Boulevard. Hier begegnet die Öffentlichkeit den Studierenden, Dozierenden und Forschenden.Hier findet Austausch des Wissens statt, und hier ist der Ort für Informelles. Die Halle ist auf jedem Geschoss beidseitig mit einer Terrasse verbunden, die wiederum über die Geschosse begehbar ist. An den Fassaden der Halle sind Arbeitsplätze für die Studierenden installiert. Hier kann sich das Leben einer Hochschule exemplarisch manifestieren. Im Erdgeschoss ist die Halle ein durchgehender Raum zwischen Reinacherstrasse und Bordeaux-Platz und trägt somit der „janusköpfigen“ städtebaulichen Disposition Rechnung. Entlang dieses ebenerdigen Durchgangraumes liegen die grossen Unterrichtsräume, Vorlesungssäle, die Aula und die Mensa mit den notwenigen Infrastrukturen. Zweigeschossige Lufträume mit Treppen führen zum Learning-Center und zur Bibliothek im 1. Galeriegeschoss. Der gassenartige Aussenraum zur Bordeaux-Strasse kann über eine Serie von Fenstertüren erreicht werden. Die auskragenden Fassadenvorhänge aus Holzlamellen schaffen Schatten und Atmosphäre und bieten Raum für individuelle studentische Aktivitäten, für Formelles und Informelles als Umschlagplatz der Ideen. Die Halle ist zu den Unterrichtsräumen hin offen und transparent. Die Raumtrennungen müssen keinen Brandwiderstand leisten und sind daher kostengünstig zu realisieren.

Die Lage der einzelnen Nutzungen folgt den Anforderungen des Wettbewerbprogramms. Wie gefordert nimmt die „Privatheit“ der Geschosse in der Vertikalen zu. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss befinden sich nebst den geforderten Servicebereichen die grossen Säle, die Bibliothek, das Learning-Center, die Mensa und die Cafeteria. Die Küche und die Free-Flow-Zone liegen beide im Erdgeschoss und sind dank der direkten ebenerdigen Anlieferung einfach zu betreiben. Das zweite und dritte Obergeschoss nehmen die Arenen und die Unterrichtsräume auf, die Koppelbarkeit dieser Seminarräume ist jeweils gewährleistet. Die Arenen sind zweigeschossig ausgelegt und aktivieren die Halle im 3. Obergeschoss. Darüber legen sich - nunmehr über die Mitte erschlossen - die Büroinfrastrukturen der Institute, welche durch die Gruppenarbeitsplätze der Studierenden ergänzt werden. Hier kapselt sich die Lehre und Forschung nicht mehr von den Studierenden ab, hier durchdringen sich die Systeme, hier wird zukunftgerichtetes Lehren, Lernen, Forschen und Weiterbilden etabliert und ein nichthierarchisches Miteinander über alle Kompetenzstufen hinweg erlaubt. Hier begegnen die Dozierenden den Studierenden, hier werden Spinn-off-Pläne geschmiedet, hier werden gemeinsame Aktivitäten initiiert. Die Studierendenarbeitsplätze stehen auch den Dozierenden und dem Mittelbau zur Verfügung, die Ressource Raum wird gemeinsam genutzt und die Gesamtinfrastruktur bei gleicher Fläche leistungsfähiger. Das Untergeschoss bietet die gewünschte Anzahl Parkplätzen, die dem Hauptraster von 8.20 folgen. Im weiteren sind die Toiletten der Mensa und der Aula, sämtliche geforderten Nebenräume, die Technikzentralen und die Lagerräume angeordnet.

Die Fassaden zeichnen sich in den ersten vier Geschossen durch ihren hohen Verglasungsanteil aus. Vorgelagerte und fix montierte brise-soleil filtern durch die Lamellenstruktur die direkte Sonneneinstrahlung. Der freie Ausblick ist gewährleistet und an keiner Stelle behindern Rafflamellenstoren die Aussicht. Die Verdunkelung wird über innenliegende, raumhohe Vorhänge ermöglicht, welche auch raumakustisch aktiv sind. Die Bürogeschosse haben eine horizontale Unterteilung der Fassade auf Brüstungshöhe, und reduzieren so den Glasanteil. Die aus günstigen und handelsüblichen Standartaluminiumprofilen gefügte Fassade hat ein Rastermass von 1.36 cm und erlaubt die flexible Unterteilung einzelner Büroeinheiten.

Fügen vor Ort:
Die raumwirksame Tragstruktur

Das Grundsegment des Bauwerkes ist ein Querrahmen, der in jedem Geschoss aus drei Stützen und drei Riegeln sowie einem zugehörigen Deckenstreifen von 8.20 m besteht. Durch das Aneinanderreihen und Stapeln entsteht ein oberirdischer Gerüstquader mit einem Volumen von 148 x 21.5 x 20 m. Die Struktur wird aus vorfabrizierten Betonelementen zusammengesetzt, und für die biegesteifen Verbindungen werden Hüllrohranschlüsse und Knotenzonen mit Mörtel und Beton vergossen.

Gitterträgerplatten werden mit einem nass eingebrachten Überbeton verbunden, so dass biege- und schubsteife Decken entstehen. Diese hochgradig repetitive Konstruktion ermöglicht einen sehr schnellen Baufortschritt. Sichtbar bleibt die gesamte Tragstruktur, die im Zusammenspiel mit den vertikalen Räumen der Haustechnik den Hauptanteil architektonischen Ausdruckes des Hauses übernimmt.

Technik:
Sichtbar strukturiert

Landschaftsarchitektur:
Ort mit Ausstrahlung

Der rote Gußasphalt als markantes Merkmal der HSW wird durch kreisförmigen Freiraumelemente ergänzt: Sowohl die Sitz- bzw. Studierbereiche, Liegeflächen, Aufenthaltsbereiche und Multifunktionsflächen als auch die Bepflanzungen folgen dieser Grundform und bilden die «Funktionspunkte» des Areals. Die Ausführung variiert und kombiniert dabei bodengleiche und erhöhte Holzdecks, ring(segment)förmige Sitzgelegenheiten und kreisrund in den Asphalt geschnittene Pflanzbeete bzw. Baumscheiben. Die Bepflanzung dieser Flächen dient zum Teil zur Abschirmung gegenüber dem Straßenraum und wechselt zwischen Gräsern, Stauden und Gehölzen (Hänge-Birke, Blut-Buche, Hopfen-Buche, Blasenesche).

Die «Funktionspunkte» dienen auch der Zonierung des Areals, beispielsweise durch die Inszenierung des Vorplatzbereichs im östlichen Bereich und die Schaffung von ruhigeren und belebteren Bereichen. Die kreisförmigen Elemente stellen dabei keine Barrieren dar, sondern lassen sich jeweils umgehen und gewährleisten so die Durchlässigkeit des Außenraums, z. B. für FußgängerInnen, die das Areal queren wollen.