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18.16 / Wohnüberbauung Areal Stelzen, Meilen

Die um den Flurhof angelegte Wohnsiedlung ergänzt das dörfliche Gefüge über dem Bahnhof Meilen mit einem vielfältigen, über die Geschosse variierenden Wohnungsangebot. Die Freiräume reagieren auf die unmittelbare Nachbarschaft und verankern die terrassierte Anlage in der Umgebung.

Studienauftrag, Januar 2019

Planungsteam
Auftraggeber – Gewomag, Gemeinnützige Wohnbau Meilen AG
Architektur – op-arch | Stefan Bopp, Gabriela Füglistaller, Norbert Pasko
Tragwerk – Büro Thomas Boyle + Partner AG / Tom Boyle
Landschaftsarchitektur – noa Landschaftsarchitektur / Jacqueline Noa
HLKKS – Sustainable System Solutions GmbH / Rafael Burri
Visualisierung – maaars
Projektbeschrieb

Vielschichtige Raumsequenzen

Mit der Erschliessung Meilens durch die Bahn, entstand am Anfang des 20. Jahrhunderts nördlich der Bahngeleise ein erster industrieller Lebensmittelbetrieb. Die Produktion alkoholfreier Fruchtsäfte war noch stark mit der lokalen Weinbautradition verbunden, bald wurde die Anlage jedoch von der Midor übernommen die bis heute ihren süssen Duft im Ortszentrum verströmt. Über mehrere Jahrzehnte wichen die Reben langsam zurück, um an den Rändern Wohngebäuden Platz zu machen. Das Stelzenareal liegt mitten in dieser unentschlossenen Situation, zwischen in den Hang eingestreuten Ein- und Mehrfamilienhäusern und den grossen Anlagen der Migros-Konditorei und der Dorfschule mit ihren Sportplätzen.

Eingepasst in den Raum zwischen Bruech- und Stelzenstrasse staffelt sich die Wohnsiedlung an den Hang und nimmt den beträchtlichen Niveauunterschied von zwei Geschossen über die Tiefe des Grundstücks zum Anlass, das von den beiden Strassen inspirierte Spiel mit dem vorne und hinten zum Thema für die ganze Siedlung zu machen. Flankiert von Stelzenweg im Westen und Flurweg im Osten bildet der offene Flurhof auf der Höhe des Kirchenvorplatzes mit dem markanten Glockenturm den Kern des offenen, sich allen Seiten zuwendenden Gefüges und führt alle Wege in der Mitte des Gevierts zusammen. Bespielt durch die hangseitig angeordneten öffentlichen Zusatznutzungen, die Zugänge zu den Treppenhäusern und die seeseitigen Wohnungszugänge wird dieser innere Bereich zur eigentlichen Hauptseite der Anlage. 

Der Hof ist Begegnungs- und Aufenthaltsraum für Bewohnerinnen und Bewohner und ist gleichzeitig offen für die Nachbarschaft. Zusammenkünfte finden im gedeckten Freiraum im Osten der Anlage statt. Adressiert ist die Siedlung am Flurweg. Vom Hauptzugang an der Stelzenstrasse führt er über den Flurhof an die Bruechstrasse. Die hindernisfreie Zugänglichkeit aller Ebenen wird durch einen von der Halle mit Tageslicht zum Hof führenden Lift und weiterführenden Rampen gewährleistet. Der Flurweg zweigt somit von seiner am östlichen Rand der Anlage ausgeschiedenen Parzelle ab und führt durch die Siedlung hindurch. Auf der offiziellen Wegparzelle führt ein direkter Pfad an der Siedlung vorbei.

Ebenerdige Zugänge auf verschiedenen Ebenen verankern die Gebäude im nahen Umfeld, private Vorbereiche vor den Wohnungen ergänzen die allgemein zugänglichen Freiraumbereiche und schaffen eine eindeutige Zonierung. Den Strassen- oder Gassenraum mitprägend nehmen die Vorgärten ein typisches Siedlungsthema selbstverständlich auf und eröffnen den Bewohnerinnen und Bewohnern klar definierte Spielräume für die individuelle Gestaltung.

Haupthaus und Schuppen

Mit ihrer Volumetrie auf die unmittelbare Umgebung Bezug nehmend, bilden zwei in ihrer Funktion und Erscheinung unterschiedliche strassenbegleitende Häuser das neue Geviert. Subtile Differenzierungen der Gebäudevolumetrie weisen auf die Zugänge oder eine spezielle Nutzung hin. Die Kinderkrippe ist zum Beispiel mit ihrem Eingang im oberen Geschoss direkt an die Bruechstrasse angebunden und gehört im unteren Geschoss zur gemeinschaftlichen Welt am Flurhof wo sich die weiteren Räume für Begegnung und Schulung, Dienstleistungen für ältere Menschen oder ganz junge befinden. Alternativ können diese nutzungsneutralen Räume auch Bewohnerinnen und Bewohnern als erweiterter Wohnraum zur Verfügung stehen und zum Beispiel als gemeinsam oder allein genutzter Arbeitsplatz, als Raum für Freizeitaktivitäten zugemietet oder als Gemeinschaftsraum für die ganze Siedlung genutzt werden.

Im oberen Haus erfährt das einfache Grundprinzip der Wohnungen mit nach Norden ausgerichteten Schlafzimmern und zum See orientierten Wohnräumen über die Geschosse graduelle Veränderungen. Variationen der Gebäudetiefe einerseits und die unterschiedlich mit Nebenräumen bespielte Mittelzone andererseits verleihen den Wohnungen in jedem Geschoss einen eigenen Charakter. Die Mittelzone ermöglicht immer eine zirkuläre Wohnungserschliessung, wobei der Anteil reiner Erschliessungsfläche durch die Anlagerung von Funktionen wie einer Garderobe oder Schranknische minimal gehalten wird.

Während das obere Haus den grossen Teil der Wohnungen aufnimmt, lässt das untere Haus eine vielfältigere Bespielbarkeit zu. Der grosse, beliebig unterteilbare Schuppen unter einem massiven, schallabweisenden Dach kann weitere Wohnungen aufnehmen, die sich über ein oder zwei Geschosse entwickeln und zum Beispiel über einen separaten Zugang für ein Einliegerzimmer verfügen. Denkbar ist auch die Nutzung einzelner Einheiten als Lebens- und Arbeitsraum mit privatem Vorbereich an der Stelzenstrasse oder als Büroraum mit direktem Zugang vom Flurhof.

Robuste grüne Lebenswelt

Die äussere Erscheinung der Siedlung ist stark von der vom Kirchengeläut ausgehenden Schallthematik geprägt. Die rauhe Oberfläche der gebrochenen Mauerwerkssteine wirkt der Verteilung der Schallwellen entgegen, das massive Dach schützt den darunterliegenden Schuppen aus Holz und trägt die integrierte Photovoltaiknlage. Die einfache Statik und konventionelle Konstruktionen mit den rohen Werkstoffen Holz, Beton und Mauerwerk verleihen der Siedlung eine bodenständige Robustheit. Mit der Zeit werden die Oberflächen verwittern, die Gebäude einwachsen und somit ein pflanzendurchsetzter Lebensraum entstehen.

Drei Hauptelemente prägen den Aussenraum: der grüne Rahmen, die privaten Vorgärten und der gemeinschaftliche Flurhof. Im Hof bilden erhöhte Pflanzelemente mit integrierten Sitzmöglichkeiten Aufenthaltsorte und separieren gleichzeitig die Vorbereiche der Wohnungen vom öffentlichen Bereich. Sie werden, genauso wie die grossen Pflanzkisten auf den Balkonen, mit Kräutern, Stauden, Zwiebelblumen und schattenspendenden Ziergehölzen bepflanzt. Die privaten Vorgärten im Norden des Gebäudes werden von den Bewohnerinnen und Bewohnern individuell bespielt. Die  Gärten entlang der Stelzenstrasse bilden mit Rasen, Obstgehölzen und Pflanzgärten den grünen Abschluss der Siedlung im Süden. Gegen aussen ist die Siedlung mit einem grünen Rahmen eingefasst. Bodendeckende Gräser, üppige Stauden sowie mehrstämmige malerische Ziergehölze sorgen für Sichtschutz und betonen gleichzeitig den gärtnerischen Charakter der Anlage. Der Förderung der Biodiversität wird durch die Auswahl lokaler Flora besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die Überbauung verbindet sich über ihre Pflanzen und Grünflächen mit der Nachbarschaft und fügt sich somit in die sehr heterogene Umgebung ein.