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19.03 / Ersatzneubau Wohn- und Bürogebäude Dufourstrasse, Zürich

Projektwettbewerb 2019

Planungsteam
Auftraggeberin – Seewarte AG
op-arch | Stefan Bopp
Landschaftsarchitektur – Nipkow Landschaftsarchitektur AG
HLKS-Ingenieur – HS3 Group AG
Tragwerk – Thomas Boyle + Partner AG
Visualisierung – maaars

Projektbeschrieb

zukünftige, moderne und vielfältige Bürowelten | Ab Mitte der 1990er Jahre wurde VUKA in den US-amerikanischen Kaderschmieden der Militärakademien zum Leitwort für die Beschreibung einer neuen Situation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. VUKA passt heute ebenfalls in den Wirtschaftskontext: Auch Unternehmen sehen sich in zunehmendem Masse mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität konfrontiert.

Volatilität | Unsere Welt wird instabiler, Wechsel erfolgen drastischer. Niemand weiss, wie lange etwas standhält und wann sich die Situation fundamental verändert. In der Immobilienbranche beobachten wir, dass Mieter kurzfristig aus Mietverträgen aussteigen oder für feste Mietverträge lange vor Ablauf neue Konditionen fordern.

Unsicherheit | Folglich wissen wir immer weniger, wohin die Reise geht. Vorhersagen erweisen sich immer öfter als unzuverlässig, uns entgleitet die Berechenbarkeit von früher. So haben die Mietzinsprognosen der Schätzer eine kürzere Gültigkeitsdauer. Auch das Beschäftigungswachstum schlägt sich nicht mehr direkt in der Büronachfrage nieder.

Komplexität | Durch Globalisierung und Internet ist unsere Welt mittlerweile so stark vernetzt, dass eine Handlung heute weit mehr Auswirkungen hat als früher. Es wird ausserdem immer schwieriger, Ursache und Wirkung sauber zu trennen. Der Flächenbedarf eines Mieters verändert sich durch die Arbeit in Projekten, die Projektarbeit ist durch die unsichere Marktlage und neue Arbeitszeitmodelle getrieben, und diese Treiber stehen zusätzlich in einer Wechselbeziehung, was die Lage noch undurchschaubarer macht.

Ambiguität | Unsere Welt hat ihre Eindeutigkeit verloren, sie ist nicht mehr exakt bestimmbar. Zu jeder Meinung gibt es mittlerweile eine zweite, dritte alternative Sicht. Wir sind immer mehr mit Paradoxien konfrontiert, die nicht aufgelöst werden können.

Das Akronym VUKA umschreibt eine heute von vielen Menschen erlebte Erfahrung des Normalzustandes. Die Unternehmen reagieren mit Sparmassnahmen, Outsourcing, Effizienz- und Innovationsprogrammen auf diese Herausforderungen. Auch in der Nachfrage nach Büroimmobilien sind diese Massnahmen gut zu beobachten. So optimieren immer mehr Grossfirmen ihre Büroflächen, die pro Mitarbeiter und Arbeitsplatz durchschnittlich zwischen 8 und 15m2 liegen. Neue Flächen werden nur angemietet, wenn sie mehr bieten als die bisherigen Räume. Dieses „Mehr“ kann ein für die Mitarbeiter besser erreichbarer Standort sein oder modernste Baustandards beinhalten. Weiter investieren Grossfirmen in neue Arbeitsplatzkonzepte, activity based workspace, um die Produktivität der Arbeitnehmer und die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu steigern. Neben diesen qualitativen Massnahmen erreichen die Firmen auch ein anderes Ziel: Niedrigere Raumkosten durch niedrigere Mieten und Nebenkosten und kleinere Flächen. Die meisten KMU’s dagegen nutzen heute noch viel mehr als grosse Unternehmen traditionelle Büroräume mit Zellenbüros. Die durchschnittliche Fläche pro Arbeitsplatz beträgt zwischen 12 und 25m2. Die erforderlichen Mittel für eine Optimierung bestehender Büros oder gar für einen Umzug sind nicht vorhanden oder werden bevorzugt in andere Projekte investiert. In der Vermarktung lässt sich auch beobachten, dass die Chancen, die ein modernes Bürolayout bietet, stark unterschätzt werden. Hier zeigt sich, dass in der Aufwertung dieser Büroflächen erhebliche Optimierungsmöglichkeiten stecken. Für innovative Immobilieneigentümer besteht somit ein grosses Marktpotential, mit geeigneten Büroflächen die KMU’s als Mieter zu halten oder neu zu gewinnen. Wir sind überzeugt, dass das Interesse an neuen Bürokonzepten in den nächsten fünf Jahren stark wachsen wird. Denn die VUKA-Welt treibt die Unternehmen an, ihre Prozesse noch effizienter zu gestalten, noch innovativer zu agieren und dabei so wenig Kapital wie möglich langfristig zu binden. Investitionen in Immobilien und Büroausstattung verlieren in diesem Kontext für viele KMU’s an Attraktivität. Zusätzlich verändert sich das Verständnis von Eigentum und Besitz. Das Teilen von Autos und Wohnungen ist bereits weit verbreitet und unter dem Begriff „sharing economy“ heute in aller Munde. Für Büroflächen treiben vorwiegend Mikro- und Kleinunternehmen die Nachfrage nach neuen Konzepten an. Die Vorteile für die Nutzer sind offensichtlich: Ein Co-Working Space bietet nebst Arbeitsplätzen im Grossraumbüro, Einzelbüros für konzentriertes Arbeiten, Meeting- und Workshop-Räumen unterschiedlicher Grössen auch eine gemeinsam genutzte Empfangszone und teilweise weitere Infrastruktur an. So profitieren KMU-Mieter in einem Co-Working-Space von einer grösseren Vielfalt an attraktiven Räumen mit guter Infrastruktur, welche sie nur nach Bedarf nutzen und bezahlen müssen. Hinzu kommt, dass der Mieter auch von der Möblierung, dem Unterhalt und dem Betrieb des Büros entlastet wird – und dies teilweise zu niedrigeren Kosten als für ein herkömmliches Büro. Neben diesen organisatorischen und wirtschaftlichen Vorteilen stellen die Mitmieter als potentielle Partner und Kunden einen wichtigen Mehrwert dar. Gefragt sind modulare Raumkonzepte, bei denen die Flächen optimal und multifunktional genutzt werden können und die sich beliebig an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen. Dies wird in Zukunft auch aufgrund zunehmender räumlicher Verdichtung ein gewichtiger Faktor bei Office-Konzepten sein. So oder so sind auf Multifunktionalität angelegte Räume ganz im Sinne von Unternehmen zu sehen, denn effizientere Raumnutzung steigert die Wertschöpfung und bietet Sparpotenzial. Bei innovativen Bürokonzepten sollte zentrales Kernstück künftig eine grosse Workshop-Fläche für Teamarbeit sein – mit innovativen Tools, die zum Dialog anregen. Idealerweise schaffen diese Raum für Inspiration und sind flexibel und multifunktional einsetzbar Zudem braucht es Rückzugsorte für Meetings im kleinen Kreis oder ungestörte Telefonate, flexibel nutzbare Co-Working-Arbeitsplätze im Gemeinschaftsbüro und Relax-Bereiche für kreative Auszeiten.  Dies zeigt den Wandel im Bedürfnisprofil von Office-Settings auf: Früher stand vor allem die Bereitstellung von Infrastruktur für die Aufgabenbewältigung des Einzelnen im Fokus, heute gilt es "vor Ort" die Interaktion und Zusammenarbeit zu fördern. Unternehmen sollten folglich zukünftig ihre Vision der Zusammenarbeit neu definieren und (Büro-)Orte schaffen, bei denen primär die Förderung einer dialogorientierten Zusammenarbeit durch eine motivierende Workshop-Umgebung im Zentrum steht. Es braucht inspirierende reale Räume, die für Teamarbeit genutzt werden können. Mit einer Ausstattung, die eine effiziente Kommunikation ermöglicht – neben Videokonferenzen und Co-Creation-Plattformen. Orte, die zu einem neuen Workstyle inspirieren.

Eine relevanter Aspekt ist die zusätzliche, vertikale und geschossübergreifende Erweiterungsmöglichkeit der Mietflächen.

Das Dach der Fluchtwegröhre ist als Treppe ausgebildet und kann bei Bedarf mit um 90 Grad aufklappbaren Geschossdeckenteilen, welche das Geländer bilden, auch vertikal mittels sog. «shortcuts» funktionale Verbindungen herstellen. Mietflächen können so sowohl horizontal wie auch vertikal miteinander verbunden werden. Sie können jederzeit verkleinert oder vergrössert werden, je nach den Bedürfnissen einzelner Mieter. Die Vorteile von geschossübergreifenden Mietverhältnissen liegen auf der Hand: Flexibilität bei Veränderungen der Mietverhältnisse und «Single-Tenant»-Lösungen über mehrere Geschosse. Mit nur einem Ankunftsbereich und eigenen «Shortcuts», ohne Badge! Im Erdgeschoss ist je eine Fluchttreppe mit den beiden Personenliften peripher positioniert. Sie ermöglichen sowohl eine grossflächige wie auch mehrere kleinflächige Gewerbenutzungen, deren Adresse und Eingangshalle an der Dufourstrasse liegt. In der Öffnung der Erdgeschossdecke führt eine Treppe in die Verkaufsfläche im Untergeschoss, mit eigener Adressen und separater Vermietungs-möglichkeit. In den Bürogeschossen, 1. Obergeschoss bis 3. Obergeschoss, sind aufgrund der sich ändernden Treppensituation unterschiedlichste Raumdispositionen möglich. Die Lifte und Toilettenanlagen sind sowohl aus dem Liftvorbereich wie auch von Seite Büro zugänglich. Teeküchen und entsprechende Aufenthaltsbereiche können entlang dem der Treppe synchron laufenden Schacht frei angeordnet werden.

Tragstruktur ist Raumstruktur

Das Stützen-Platten-Tragwerk bildet mit den beiden Fluchtröhren die fertige Rohbaustruktur und ist gleichzeitig die ablesbare Raumstruktur. Sie ist durch die kaskadenartigen Erschliessungsröhren in allen Geschossen unterschiedlich charakterisiert und bietet auf ihren Decken integrierte vertikale «Short-Cut»-Möglichkeiten. Die Tragkonstruktion in Stahlbeton wird wie gewohnt bei Bürobauten als Stützen-Platten-System mit sehr grosser Nutzungsflexibilität konzipiert. Das System mit schlaff armierten Flachdecken bietet für die Haustechnikinstallationen ein Maximum an Raumhöhe und reagiert in keiner Weise auf spezifische, heute aktuelle Haustechnikkonzepte.  Die Versätze in den Obergeschossen auf der Ost- und Südseite können durch Auskragungen und Abfangungen aufgenommen werden wobei jeweils Lasten aus nur einem Geschoss abgefangen werden müssen. Der Stützenraster setzt sich linear fort in die Untergeschosse. Der Raster ist im 2. Untergeschoss durchaus kompatibel mit der Nutzung als Einstellhalle. Die in einem Kasten aus Stahlbeton eingefasste Fluchttreppen bilden als Kaskadentreppen effektive Streben durch das Gebäude. Indem sie bei Kreuzungen des Stützenrasters immer abgestützt sind, bauen sich hier aber keine grosse diagonal gerichtete Kräfte auf. Sie können durchaus zur Aussteifung in Gebäudelängsrichtung einen Beitrag leisten. Die Aussteifung in Querrichtung übernehmen die beiden Liftkerne. Auch sie sind bis zur Bodenplatte weitergeführt und damit in das steife Untergeschossbauwerk  vollumfänglich eingespannt. Im Erdgeschoss wird auf die teilweise beidseitige Öffnung der Längswände mit einer erhöhten Wandstärke reagiert.

Wohnen auf dem Dachvolumen

Beide Liftkerne und Treppenröhren sind in den Wohngeschossen durch eine gemeinsamen «rue intérieure» miteinander verbunden und schaffen einen grosszügigen Ankunftsort auf den Wohnebenen. Im 4. Obergeschoss bieten drei Innen liegende, von oben belichtete «Mikro-Studios» Zusatzangebote, sei dies als zumietbare Gästezimmer oder private Arbeits- oder Freizeiträume. Die grossen Wohnzimmer – der Tagesbereich der Wohnungen – werden durch ihre freistehenden Küchen räumlich in Eingang, Kochen und Wohnen zoniert. Sie bieten trotz sparsamem Flächenverbrauch räumliche Grosszügigkeit mit viel Licht und Aussicht. Das auch vom Tagesbereich zugängliche Bad mit Zimmer, an der Loggia oder Terrasse liegend, bildet eine zweite, kompakte räumliche Einheit, den Nachtbereich der Wohnungen.