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21.07 / Neubau Wohnhaus Binzmühlestrasse-Friesstrasse, Zürich

Studienauftrag 2021

Planungsteam
Auftraggeberin – Terresta Immobilien- und Verwaltungs AG
op-arch | Sarah Weber, Davide di Roma
Landschaftsarchitektur – Nipkow Landschaftsarchitektur AG
HLKS-Ingenieur – HS3 Group AG
Tragwerk – Büro Thomas Boyle + Partner AG
Visualisierung – indievisual

Projektbeschrieb

In den Dialog treten (Städtebau, Fassade, Dach)

Im faszinierenden Gemisch von vereinzelten Gründerzeitfragmenten, nachkriegsmodernen Adaptionen für den Blockrand und orthogonalen Statements aus den boomenden 70er-Jahren generiert das Gebäude an der Ecke Binzmühle-/Friesstrasse einen ruhigen Moment. Die geschlossene Bauweise ist ortsbauliche Absicht und Reaktion auf die akustisch belastete Situation. Kontextbezogene Interpretationen klassischer Gestaltungselemente wie die dreiseitig verglasten Erker, die aufgelösten, in das grüne Sichtmauerwerk greifenden Brüstungsbänder und die auf den Hauptkörper bezogene Ausformulierung des Dachgeschosses stellen formale Bezüge zu den Gebäuden in der Nachbarschaft her. Die differenzierte Ausformulierung der Öffnungen im Eingangsgeschoss, die mineralische Fassade und der umlaufende Dachfries verweisen auf die Quartiererhaltungszone. Von der hektischen Verkehrsdrehscheibe ins Wohnquartier überleitend tritt das selbstbewusste Stadthaus mit dem umliegenden Stadtraum in den Dialog.

 

An die Stadtebene anknüpfen (Eingangsgeschoss, Nutzung, Baurecht)

Im Ankunftsgeschoss knüpfen Raumfolgen mit abnehmendem Öffentlichkeitsgrad an das Leben im Stadtquartier an. Von den Eingangshallen führen Funktionsräume wie Fahrrad- und Autoabstellhallen an den Wasch- und Trockenräumen vorbei in die Tiefe der Parzelle und binden die gesamte Anlage beiläufig zusammen. Hier kreuzen sich die Wege der Bewohnerinnen und Bewohner, hier sind alle Treppenhäuser miteinander verbunden. Zwischen den Hauszugängen steht ausserdem eine auf die Friesstrasse orientierte vermietbare Fläche zur Verfügung. Gross genug für eine eigenständige Laden- oder Gastronomieeinheit bietet sie sich als Schnittstelle zum Quartier an, als Ort für den kürzeren oder längeren Aufenthalt: Café, Verkaufstheke, Arbeitsplatz und möglicherweise zugleich organisatorische Basis für zumietbare Büroräume in den oberen Geschossen. Die topografische Ausgangslage erlaubt es, das Ankunftsgeschoss auf das Niveau der Friesstrasse zu setzen und baurechtlich als anrechenbares Untergeschoss auszubilden. Das Erdgeschoss befindet sich somit auf Hofniveau und steht bis auf die Ausnahme des Hof- und Hauszugangs im Westen vollumfänglich für Mietflächen zur Verfügung. Mit lichten Raumhöhen von 2.65m im Ankunftsgeschoss und 2.55m in allen Wohngeschossen halten Trauf- und Fassadenhöhen auf der gesamten Fassadenlänge die zonenkonformen Maximalwerte ein.

Zusammenleben im Stadthaus (Adressierung, Lebensraum, Gemeinschaft)

Autofelgen, Hundebürsten, veganes Gebäck oder eine Reise nach Kappadokien – die Auslagen in den Schaufenstern erzählen ihre eigene Geschichte vom Leben im Quartier. Ebenerdige Hauszugänge, die publikumsorientierte Nutzung an der Friesstrasse und die direkt zugänglichen Atelierwohnungen an der Binzmühlestrasse erlauben Ein- und Ausblicke und fügen dieser Geschichte weitere Kapitel hinzu. Die eindeutige Adressierung und die durchlässige Ausbildung der Vorgärten verankern das Haus auf der Stadtebene. Im Hof eröffnet sich eine andere Welt. An den Garten der benachbarten Genossenschaften anschliessend bereichert der üppig und etwas wild bewachsene Freiraum zwischen Haupt- und Hofhaus das nahe Nebeneinander des städtischen Wohnens. Die mit besonderer Aufmerksamkeit zonierten Wohnungen, die Lage und Grösse der Fenster und eingezogene private Aussenräume gewährleisten Privatheit bei einer der zentralen Wohnlage angemessenen Dichte. Rand- und Hofgebäude nehmen zusammen insgesamt 36 Wohnungen und rund 400m2 gewerblich nutzbare Flächen auf. Verschiedene Wohnungstypen und unterschiedlich bespielbare Raumkonfigurationen sind für die vielfältigen Wohnvorstellungen eines breiten städtischen Publikums attraktiv. Über alle Treppenhäuser zugängliche Dachzinnen bieten der losen Hausgemeinschaft zudem einen spektakulären Blick auf die in den Himmel wachsende Silhouette Neu-Oerlikons.

Bespielbare Lebensräume (Wohnungstypen, Wohnungsgrössen, Ausstattung)

Der Grundwohnungstyp mit zwei oder drei Zimmern wird durch lagespezifische Variationen im Randgebäude ergänzt. Der zweigeschossige Leichtbau im Hof nimmt die quartiertypische Tradition innenliegender Kleinbauten auf und bereichert das Wohnungsangebot. Die zweiseitige Ausrichtung aller Wohnungen und angemessene Raumhöhen gewährleisten die Belichtung und die weitgehende Nutzungsneutralität der Räume. Die lärmabgewandte natürliche Belüftung ist für alle Wohnungen gewährleistet. Räumlich und von der haustechnischen Erschliessung her effizient konzipierte Küchen und Bäder und die Ausstattung der Wohnungen mit Reduits oder Schränken zonieren die Wohnungen. Anzahl und Grösse entsprechen den beschriebenen Anforderungen für ein mittleres Preissegment.

Einen Beitrag zum Stadtklima leisten (Biodiversität, Hitzeminderung, Kühlung)

Im dichten Stadtquartier werden alle verfügbaren Spielräume genutzt um Antworten auf übergeordnete Fragen und Anforderungen an unsere Siedlungsgebiete, wie z.B. zu Biodiversität, Hitzeminderung und Kühlung zu finden. Die nicht unterbauten Vorbereiche sind so weit wie möglich unversiegelt und mit Bäumen oder Sträuchern bepflanzt. Eine gezielte Auswahl verschiedener einheimischer Pflanzenarten im Hofgarten und auf den Dächern bietet Tieren Nahrung und Habitat. Dadurch wird nicht nur eine hohe Artenvielfalt der Flora angestrebt, sondern auch jene der Fauna gefördert und unterstützt. Intensive begrünte Flächen auf dem Hofhaus und die extensive Dachbegrünung unter der PV-Anlage auf dem Hauptdach fördern die Biodiversität am Standort und machen eine Vernetzung für Insekten (z.B. Wildbienenstandort) und Pflanzen mit den umliegenden Grünflächen möglich. Die entsiegelten Vorbereiche und die zahlreichen sorgen zudem für eine effiziente Absorption von Wärme an heissen Tagen, wodurch dem Entstehen einer Hitzeinsel entgegengewirkt werden kann.

Freiraum

Vorgarten: Die städtebaulich exponierte Eckposition des Gebäudes ist geprägt von der verkehrsbelasteten, in diesem Abschnitt stark ansteigenden Binzstrasse und der Friesstrasse mit Quartiercharakter und beidseitig breiteren, von Trottoiren begleiteten Vorbereichen. Die Vorgärten nehmen dieses Thema auf. Als durchlässige, ebenerdig an die Hausfassade führende Zonen ausgebildet begleiten sie den Übergang vom öffentlichen zum privaten Raum. Je nach Lage und Erdgeschossbezug unterschiedlich bepflanzt und ausgestattet sind sie Durchgangs-, Funktions- oder Aufenthaltsraum im Freien.

Hofgarten: Der intensiv durchgrünte Hofraum wird vom Hofhaus ausgezeichnet. Der grösstenteils privatisierte Stadtgarten entwickelt mit seiner Vegetationsstruktur ein organisch gewachsenes Milieu, das sich mit der baulichen Verdichtung in einen Dialog begibt. Die Pfade zwischen Hauptbau und Hofhaus führen durch eine lebendig gestaltete, ökologisch wertvolle Pflanzenwelt. Die privaten Loggien zeichnen sich in diesem verwachsenen Stück Stadt durch eine sehr geschützte Atmosphäre aus. Die westlich an der Peripherie verlaufende Haupterschliessung des Hofhauses ab der Binzmühlestrasse bietet einen kleinen, chaussierten Gemeinschaftsplatz unter Bäumen.

Dachgärten: Das Hofhaus verfügt über private Dachterrassen. Sie sind räumlich gefasst und in den Dachaufbau integriert. Eine intensive Dachbegrünung mit einheimischen Stauden und Grosssträuchern bildet für die Bewohner mit der Zeit ein städtisches Refugium im Grünen. Das üppige Dachwäldchen vermittelt zusammen mit der Hofvegetation die Anmutung eines grünen Innenhofes. Die natürliche Beschattung schützt auch vor Einblicken. Die Flachdächer des Haupthauses sind soweit sie nicht als Dachzinnen oder Terrassen ausgebildet sind, ebenfalls intensiv begrünt. Das Meteorwassermanangement ermöglicht eine wirksame Retention und Wasserspeicherung, die auch für die Bewässerung des Hofraumes in sehr trockenen Perioden genutzt werden kann.

Haustechnik

Die Gebäude- und Energietechnik wurde konsequent auf die Einhaltung der CO2-Zielwerte des SIA-Effizienzpfads (Merkblatt 2040) ausgerichtet. In der Erstellung wird die Klimabilanz optimiert, indem nur die nötigste Haustechnik verbaut wird und sämtliche Kanäle und Leitungen dank effizienten Grundrissen schlank geführt werden können. Im Betrieb wird dann eine beinahe neutrale CO2-Bilanz erreicht, indem einerseits durch ein nachhaltiges Erdwärmesondensystem der Stromverbrauch für die Wärmeversorgung tief gehalten wird, und andererseits eine grosse PV-Anlage auf der gesamten nicht genutzten Dachfläche lokal Energie erzeugt.

Die vorgesehene Gebäudetechnik verbessert aber nicht nur die CO2-Bilanz gegenüber Standardbauten deutlich, sondern überzeugt auch durch geringe Wartungsaufwände und tiefe Lebenszykluskosten, ohne dabei Abstriche beim Komfort zu machen.

Die Frischluftversorgung erfolgt durch Fensterlüftung. Die eigens dafür optimierten Grundrisse erlauben diese natürliche Luftversorgung, ohne dass dabei Fenster zur lärmbelasteten Strasse geöffnet werden müssen. Ergänzt wird das System mit lichtgesteuerten Abluftventilatoren in gefangenen Räumen und Nasszellen, sodass Geruchs- und Feuchteprobleme ausgeschlossen werden können. Zur Vermeidung von Unterdruck sind zudem Nachströmöffnungen bei ausgewählten Fensterbrüstungen vorgesehen. Es entsteht ein robustes System, das mit minimalen grauen CO2-Emissionen auskommt.

Die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser erfolgt durch ein Erdsondensystem, welches im Sommer zudem eine sanfte Temperierung der Räume ermöglicht (Free Cooling). Die Wärmeabgabe erfolgt mittels Bodenheizung, die tiefe Betriebstemperaturen ermöglicht und einen hohen Komfort bietet.

Die im Projekt vorgesehenen Materialien sind so gewählt, dass sie die CO2-Emissionen möglichst reduzieren und die Einhaltung der Erstellungs-Zielwerte des Merblatts 2040 ermöglichen. So wird beispielsweise das Hofhaus als Holzbau errichtet, als Dämmstoffe sind mineralische Produkte vorgesehen (z.B. Glaswolle), und im Haupthaus werden nicht nur die Betonmengen möglichst gering gehalten, es ist auch ein klimaschonender Zementtyp vorgesehen (z.B. CEM III/B).

Tragwerk

Das vier- bis fünfgeschossige Mehrfamilienhaus ist im Hinblick auf die sich verschärfenden Anforderungen betreffend Minimierung des CO2-Abdrucks als eine in dieser Hinsicht optimierte Stahlbetonkonstruktion geplant. soweit die Expositionsanforderungen es erlauben (ca. 90% der Konstruktion), wird Ortbeton mit Low-Carbon-Zement CEMIII verwendet. Durch Vermeidung von Lüftungseinlagen können die Flachdecken ohne nutzungseinschränkende, mittragende Innenwände in den Wohnungen auf 24cm Stärke minimiert werden. Einzig die Wohnungstrennwände mit den aussteifenden Wänden der Erschliessungskerne und Fassaden sind tragend. In den Obergeschossen erlaubt die Auflösung der Wohnungstrennwände in Verbundstützen mit Brandwiderstand R60 und deren Ausfachung mit Gipsständerwänden eine weitere Reduktion des CO2-Abdrucks. Die Einstellhalle ist, u.a. zur Vermeidung von Abfangkonstruktionen, unter dem Innenhof angeordnet. Die geringen Lasten aus dem zweigeschossigen Hofgebäude in Holzbau können mit der gleichen Deckenstärke getragen werden wie übliche Hofsituationen mit Aufschüttungen.