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22.07 / Entwicklung "Siedlung Weihermatt", Urdorf

Studienauftrag 2022

Planungsteam
Auftraggeberinnen
GEWOBAG Gewerkschaftliche Wohn- und Baugenossenschaft
wsgz Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Zürich
Architektur – op-arch | Sarah Weber, Jan Heidbrink, Pascal Waser
Landschaftsarchitektur – Nipkow Landschaftsarchitektur

Visualisierung – indievisual

Projektbeschrieb

Städtebauliche Wechselwirkungen – sukzessive Verdichtung

Zürichs ehemaliger Stadtarchitekt Adolf Wasserfallen lobte an Walter Niehus‘ Projekt für die Siedlung Urdorf I die Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft, die günstige Besonnung und – ganz besonders – die Offenheit der Siedlung gegen aussen. Josef Beelers Siedlungen Urdorf II und WSGZ nahmen diese Qualitäten auf; alle drei zusammen sorgen seit 1968 für einen grosszügigen, hochwertigen Siedlungsraum zwischen Uitikoner- und Weihermattstrasse.

Der gewachsene Siedlungsraum bezieht seine ausdrucksstarke Kraft aus einem Wechselspiel von Enge, Weite, Licht, Schatten, Hart und Weich, aus den Beziehungen zwischen prägnanten Solitärbauten, durchfliessendem Freiraum und der Weite des Limmattals. Diese Wechselwirkungen werden mit den neuen Bauetappen weiterentwickelt, die Geschichte des Orts mit ihren verschiedenen Handlungssträngen werden im Projektvorschlag „Sequel“ weitererzählt. Sowohl die Bebauungs- wie die Freiraumstrukturen gewinnen mit jeder neuen Episode an Dichte und Vielschichtigkeit. Dabei wird das städtebauliche Grundkonzept mit 10 Solitärbauten beibehalten und so verknüpft, dass mehrere voneinander unabhängige Entwicklungsschritte möglich sind: Einmal 4 und dreimal 2 Gebäude bilden mit einer jeweils gemeinsamen Unterflur-Parkierung für Autos und Velos einen Gebäudecluster, der unabhängig erstellt werden kann und die Gesamtanlage Schritt für Schritt transformiert. Vielschichtig gestaltete, naturnahe Freiräume und Wohnhäuser, die ihre konstruktive Logik aus einer zukunftsgerichteten Perspektive beziehen, führen zu einer in Form und Inhalt verdichteten, zeitgenössischen Interpretation des Weihermatter Genius loci.

Architektonische Verwandtschaften – serielle Konstruktion

Die neue Siedlung findet über einen gemeinsamen architektonischen Ausdruck zu einem lebendigen Miteinander unterschiedlicher, aber doch eben verwandter Charaktere. In Grundfläche und Höhenlage variierend nehmen Struktur, Materialisierung und Farbigkeit der Neubauten einen unmittelbaren Bezug zueinander auf und vermitteln ein «gleich und trotzdem anders». Dieses Gestaltungsprinzip lässt innerhalb der schrittweisen Realisierung über einen längeren Zeitraum eine stetige Feinabstimmung zu. Dabei prägt eine äussere Filterschicht den Ausdruck der Neubauten. Sie interpretiert den Übergang zwischen Innen und Aussen neu und nimmt eine Beziehung zu den neu etablierten Vegetationsschichten des Freiraums auf, welche ihrerseits die Übergänge zum Quartier neu definieren. Die Filterschicht der Gebäude dient als Brise soleil, Gartenzimmer, Austritt, Witterungsschutz und Rankgerüst, begünstigt das Mikroklima an der Schnittstelle zum Innenraum und schafft ideale Voraussetzungen für eine natürliche Belüftung der Wohnungen. Das Innenraumkonzept übernimmt die Thematik der Schichtung: Um die zentral angeordneten Erschliessungskerne und Badezimmer verlaufen als kontinuierliche Raumschicht die Wohnräume, einzig strukturiert durch einen Stützenraster mit kleinen Spannweiten. Die serielle Raumstruktur lässt sowohl während der Planung wie auch in Zukunft verschiedenste Grundrisse und Wohnungsschlüssel zu. Die thermische Gebäudehülle liegt als Leichtbau in der äusseren Stützenachse. Geschosshohe Leichtbauelemente wechseln sich mit doppelflügligen Fenstertüren ab. Jedes Zimmer erhält Zugang zum privaten Aussenraum, der durch die Filterschicht gebildet wird. Eine filigrane Konstruktion mit Stahlstäben stützt die tragenen Platten und darauf liegenden Planken des Terrassenbodens, hält die Sonnenschutzrollos, Handläufe und Brüstungsnetze und schützt die dahinterliegende Fassade vor der Witterung. Die Wohnhäuser erscheinen leicht und elegant, vertikal strukturiert durch opake, transparente und bepflanzte Fassaden. Ihr Erscheinungsbild steht im Dialog mit den schmalkronigen, hochwachsenden Bäumen des parkartigen Freiraums.

Natürliche Materialien – gesundes Wohnklima

In den Wohnräumen kommen mit einer primären Tragkonstruktion aus Holzstützen und -decken, den nichttragenden Leichtbauwänden und den mineralischen Fliessanhydrit-Böden baubiologisch einwandfreie Materialien zum Einsatz, die betreffend Feuchtigkeits- und Wärmehaushalt sehr gute Voraussetzungen für ein gesundes Wohnklima schaffen. Optisch und akustisch entsteht gleichzeitig eine angenehme, warme Raumatmosphäre. Der Dämmperimeter der Gebäude besteht aus vorgefertigten, ausgeflockten Holzmodulen und Holzfenstern. Feine, feuerverzinkte Stahlstützen tragen die äussere Filterschicht mit ihren Mehrschichtplattenböden mit Holzbohlen, sowie die Handläufe, Brüstungsnetze Holzrollos. Sie schützt die Holzfassaden und -fenster und dient dem Witterungsschutz und Mikroklima aller Wohn- und Schlafräume. 

Funktionalität und Wirtschaftlichkeit – effektives Ressourcenmanagement

Die funktionale und wirtschaftliche Konzeption der Gebäude verbindet die Ansprüche der Raum- und Ressourcen-Suffizienz, der Energieeffizienz, der Systemtrennung, der Baubiologie und des Nutzerkomforts und zielt auf die Einhaltung eines engen Kostenrahmens und die Minimierung des ökologischen Fussabdrucks. Die effiziente Grundrissorganisation, welche Erschliessungsflächen in den Wohnungen möglichst vermeidet, die Verwendung erneuerbarer und rezyklierter bzw. rezyklierbarer Baustoffe, die Nutzung von Synergien, der Fokus auf die spezifischen Anforderungen an die Bauteile und damit die Vermeidung unnötiger Funktionen oder Schichten, der hohe Grad an Repetition und die weitgehende Trockenbauweise mit schneller Erstellungszeit, sowie eine schlanke Haustechnik mit minimalen Leitungslängen ermöglichen eine ökonomische wie ökologische Bauweise. Eine Bauweise, welche dank der konsequenten Systemtrennung mit Fokus auf die unterschiedlichen Lebenszyklen der verschiedenen Bauteile einen ökonomischen Unterhalt und die zukünftige Adaptierbarkeit an geänderte soziale und gesellschaftliche Bedürfnisse wird leisten können.

Nutzung, Erschliessung und Behindertengerechtigkeit

Jeder Gebäudecluster wird von der Weihermattstrasse über eine jeweils gemeinsame Zufahrt für Velos und Autos erschlossen, jedes einzelne Gebäude besitzt ergänzend eine oder zwei Eingangshallen für Fussgänger, die zur Weihermatt- bzw. Uitikonerstrasse orientiert sind, mit der Gebäudeadresse korrespondieren und mit dem Fusswegnetz des gemeinsamen Freiraums verknüpft sind. Sämtliche Zugänge und Übergänge funktionieren dabei schwellenlos. Auch alle gemeinschaftlich genutzten Räume wie die Waschküchen und Trockenräume in den Untergeschossen, der Gemeinschaftsraum auf dem Freiraum-Niveau sowie alle Wohnungen sind schwellenlos konzipiert und halten die geforderten Mindestmasse mit behindertengerechten Manövrierräumen und Durchgangsmassen ein. Vom Untergeschoss bis aufs Dach verbinden kommunikative Treppenräume alle Nutzungen, von der Parkgarage bis zu kleinen gemeinschaftlichen Räumen, welche auf den Dächern angeordnet werden können. Angedockt an die kleinen Technikräume, stellen diese unbeheizten Lauben kleine kollektive Möglichkeitsräume für die Hausgemeinschaft dar. 

Freiraum

Die Freiraumgestaltung der genossenschaftlichen Ersatzneubauten Weihermatt zeichnet sich durch ein vegetativ geprägtes Gestaltungskonzept aus und rückt von konventionellen Erscheinungsbildern des klassischen Wohnungsbaus ab. In das artenreiche, waldartige Vegetationsfeld sind zehn Baukörper eingeschrieben. Sie folgen quartiertypisch dem natürlichen Geländeverlauf und belassen das Terrain über eine Sockelsituation im natürlichen Verlauf. Die etappierte Anlage hat zum Ziel, die neue bauliche Dichte im Quartier mit einer sukzessiven Vegetationsverdichtung über die Zeit zu kombinieren. Es erzeugt in drei Höhenstufen – krautige Gräserschicht, Strauchschicht und Baumschicht – ein ökologisch wertvolles Biotop, das gleichzeitig die Anforderungen an gemeinschaftliches Wohnen in den Vordergrund rückt. Die Filterschicht unterschiedlicher Dichte reicht randlos bis an den Strassenraum, schafft halbdurchlässigen Sichtschutz, bildhafte und differenzierte Aussichten aus den allseitig orientierten Wohnungen und führt zu einem ausgeglichenen Klima. Der leicht nach Südwesten abfallenden Topografie folgend, entsteht eine bauliche Staffelung, die mit der versetzten Anordnung der Bauten einen mäandrierenden Freiraum entstehen lässt. Eine kollektive innere Welt, die aus den Wohnungen heraus gerahmte Bilder eines dichten Waldgartens erzeugt. Die privaten Aussenräume partizipieren als Balkonschicht oder Loggia direkt am Grünraum. Am umlaufenden Strassenraum adressiert, erschliesst eine freie Durchwegung den Raum und verbindet eingelagerte Platzsequenzen unterschiedlicher Grösse und Materialisierung - offene Lichtungen für Spiel und Aufenthalt. Ein sekundäres, informelles Pfadsystem erschliesst für die Kinder verwunschene Nischenräume im Grünraum. Der Wohngarten muss unter Beobachtung sorgfältig entwickelt werden und braucht deshalb eine zielgerichtete Betreuung.

Verknüpfung mit dem Quartier

Allseitige Wegverbindungen verknüpfen die Baufelder zum Quartier. Im Vegetationsfeld eingelagerte Plätze sind die vernetzten, gemeinschaftlichen Orte des Treffpunkts, Spiels, der Erholung und Ruhe. Gefasst von üppiger Vegetation, zeichnen sich diese klar geformten Räume durch Geborgenheit und Aneigenbarkeit aus. In die leicht abfallende Topografie eingefügt, bilden sich hangwärts teils murale Stufungen für den Aufenthalt. Die thematische Zuordnung der Platzfiguren ist auf die Erdgeschossnutzungen und die unterschiedlichen Nutzungsansprüche der Gesamtbebauung abgestimmt. Während Gemeinschaftsraum und Kindergarten über eigene Aussenräume verfügen, stellt die perlenartig aufgereihte Platzfolge Orte für gemeinschaftliche Aktivitäten, Spiel und Ruhe zur Verfügung. Differenzierte Materialisierungen erzeugen identitätsstiftende Atmosphären. Chaussierte Wege, abgestreute Plätze in unterschiedlichen Farbtönungen und Hartplatzbereiche wechseln sich ab. Der öffentliche Sportweg in Hartbelag führt von der Station Weihermatt über den Gemeinschaftsplatz, der für eine erwünschten Belebung des ganzen Quartiers sorgt, zum südlich gelegenen Freibad.

Vegetationsentwicklung

Die für die Bepflanzung auf den unterbauten Flächen notwendigen statischen und konstruktiven Voraussetzungen für den Substrataufbau sind berücksichtigt. Pflegemassnahmen ordnen sich dem natürlichen Erscheinungsbild unter und sind sehr extensiv vorzunehmen. In der weiteren Entwicklung sollen langfristig die drei Höhenstufen der krautigen Gräserschicht, Strauchschicht und Baumschicht als klar ablesbare Schichten erhalten bleiben. Dies bedingt einen gezielten Auslichtungsschnitt, um die Belichtung der Bodenschichten partiell zu erhalten. Aufkommende Wildlinge sollen situativ integriert werden. Die Belichtung der einzelnen Wohnungen, vor allem auf Erdgeschossniveau, ist dabei zu berücksichtigen und angemessen zu erhalten, ebenso ist die Freihaltung der Fassaden zu beachten. Die Vegetationshöhe der Pflanzen insgesamt wird sich aufgrund der natürlichen Wuchshöhen verändern. Der dynamische Entwicklungsprozess bleibt Teil des Zielbildes. Die Vegetation ist standortgerechte und einheimische: Für die Kraut und Staudenschicht schlagen wir z.B. Waldbodenvegetation, Gräser, Farne, einheimische Wildstaudensaat und Initialpflanzung, für die Strauchschicht z.B. Eisenholz, Hainbuche, Hartriegel, Hasel, Holunder, Liguster, Weidenarten, Weissdorn und für die Baumschicht z.B. Ahornarten, Eiche Linde, Pappelarten, Schnurbaum, Weidearten vor.