23.10 / Neubau Gebäude X, Zürich
Gesamtleistungswettbewerb 2023
Planungsteam
Auftraggeber – SBB AG Immobilien
Architektur – op-arch | Manuel Kost, Stefan Willener
Totalunternehmer – Implenia Schweiz AG
Tragwerk – ZPF Consulting AG
HLKS – Planovita-Implenia Schweiz AG
Elektro – IBG Engineering AG
Brandschutz - 4 Management 2 Security GmbH
Nachhaltigkeit – sumami GmbH
Bauphysik - Gartenmann Engineering AG
Visualisierung - indievisual AG
Wiederverwenden aus Prinzip Adaptierbare Strukturen
Getrennte Systeme
Das für sehr hohe Traglasten von bis zu 1500kg/m2 konzipierte Tragwerk bildet die in drei Richtungen flexibel unterteilbare offene Raumstruktur. Dimensionierung und Materialisierung nehmen auf die unterschiedlichen Anforderungen in den einzelnen Ge-schossen Bezug und sind auf einen hohen Re-Use-Anteil ausgelegt.
Grösstmögliche Flexibilität bei kleinstmöglichem ökologischem Fussabdruck ist das Ziel dieses Tragwerks. Die Kombination aus hohen Kräften und grossen Spannweiten einerseits, sowie gestapelten Nutzungen und geringen Trägerhöhen andererseits führt zum traditionellen Industrie-werkstoff Stahl. Für die Träger und Fachwerke wird mit wiederverwendeten Stahlbauteilen gearbeitet. Zum Einsatz kommen im Bestand über-wiegend vorhandene kleine Profilgrössen (h ≤ 500 mm), mit kurzen Längen (L ≤ 5 m) und geringer Stahlgüte (S235). Die Stützen als hoch-belastete, druckbeanspruchte Bauteile weisen erhöhte Anforderungen bezüglich Vorverformungen auf. Bauteile aus der Wiederverwendung, die vielleicht bereits leichte Krümmungen aufweisen, sind hier nicht geeignet. Die Stützen werden daher mit neuwertigem Stahl geplant. Um auf einen Anstrich der Stahlbauteile verzichten zu können wird eine Sprinkleranlage eingesetzt. Dadurch wird sowohl der finanzielle und ökologische Aufwand für den Einbau von wiederverwendeten Stahl-trägern reduziert als auch die zukünftige Wiedernutzung der Bauteile bevorzugt, ohne brandschutztechnische Nutzungseinschränkungen zu riskieren.
Die dezentrale Schacht- und Leitungsführung erlaubt eine gewerk-spezifische und zu jedem Zeitpunkt veränderbare Medienerschliessung. Die langfristige Anpassbarkeit der stützen- und schachtfreien Hallen an veränderte Nutzungsansprüche wird durch gezielte Vorinstallation und stetige Zugänglichkeit aller horizontalen und vertikalen Installationen jederzeit und ohne Störung im Betrieb gewährleistet.
Die Technikräume in dem auf die Bereiche unter den Erschliessungskernen minimierten Untergeschoss nehmen im Osten die Elektrohaupt-verteilung und im Westen Wärme-/Kälteerzeugung und Sanitär auf. Zwei begehbare Steigzonen führen zu den geschossweisen Unterverteilungen. Die Horizontalverteilung wird im Bereich der Fassaden-brüstungen sichtbar geführt. Für Räume mit sanitären Installationen stehen direkt bei den Steigzonen bei Bedarf ausbaubare Flächen zur Verfügung. Ergänzend sind Abwasserrohre neben den Hauptstützen für mieterseitige Anlagen vorinstalliert. Die Be- und Entlüftung wird über aussenliegende, in die Fassade integrierte Leitungen gewährleistet, die Monoblöcke befinden sich auf dem Dach.
Mehr als eine Hülle
Das konstruktive Prinzip der Fassade übersetzt die grossmassstäbliche Gebäudestruktur des gestapelten Werkplatzes in die Logik kleinformatiger Bauteile aus der Wiederverwendung. Sichtbar geführte Leitungen, opake Brüstungselemente und aussenliegender Sonnenschutz bilden den Rahmen für die orchestrierte Zufälligkeit der verfügbaren Fensterelemente.
Die Unterkonstruktion der geometrisch kompakten Gebäudehülle ist aus wiederverwendeten Stahlteilen und eingelagerten Dachsparren geplant. Re-Use-Stahlträger, die für das Tragwerk aus statischen Gründen nicht anwendbar sind, können so bei passenden Anforderungen gleichwohl eingesetzt werden. Auch in der Fassade werden konsequent Verbindungen genutzt, die eine zukünftige Demontage und Wiedernutzung ermöglichen. Der opake Fassadenteil setzt sich aus wiederverwendeten Materialien, z.B. Trapezblech oder Dachziegel, je nach Verfügbarkeit, zusammen. Eine organische Dämmung, wie z.B. Zellulosefasern (in die Elemente eingeblasen) oder Schafswolle (an die Elemente befestigt) ist je nach der verfügbaren Beplankung vorgesehen. Der Glasanteil der Fassade wird mit wiederverwendeten Fenstern ausgebildet. Für die Aufnahme unterschiedlicher Fensterformate werden, je nach Verfügbarkeit und bauphysikalischen Eigenschaften, Passstücke eingesetzt.
Das produktive Dach nimmt neben Haustechnik und Photovoltaik einen biodiversen Garten auf, der als schattiger Aufenthaltsort an der frischen Luft auf die vielfältige Pflanzenwelt im Areal verweist.
Der breite umlaufende Dachrand ist vollflächig mit PV-Panels bestückt. Die Dachfläche zwischen der Einhausung der Treppen und Personenlifte ist dem gesamten Spektrum der Biodiversität gewidmet. Die exponierte und teilweise begehbare Dachterrasse ist mit Kräutern, Blütenstauden, Gräsern und Sträuchern bepflanzt. Sie erreicht so ein Maximum an möglicher Biodiversität und Retention.
Zirkulär bauen
Ressourcen adäquat Nutzen
Im Sinne der Ressourcenminimierung wird eine möglichst grosse Anzahl Bauteile aus bestehenden Bauteilminen gesourct und im Gebäude wiederverwendet. Dieser Ansatz geht hier weit über die übliche Wiederverwendung im Ausbau hinaus und ist konsequent von der Tragstruktur über die Fassade bis zur Haustechnik und dem Ausbau durchdacht. Zusätzlich besteht der Anspruch nichts fest zu verbauen und eine zukünftige Rückgewinnung der Materialien und den weiteren Wiedereinbau bereits durch die Planung zu gewährleisten.
Die Bauteile und Materialien, die für das Objekt benötigt werden, werden aus verschiedenen Quellen bezogen. Dadurch sind eine effektive Suche und Beschaffung des Materialbedarfs gesichert. Der Fokus liegt auf potenziellen Bauteilminen in der Stadt Zürich und Umgebung. Neben konkreten Bauvorhaben der Projektbeteiligten kommen zahlreiche der auf 3d.stzh.ch dokumentierten Um- und Ersatzneubauprojekte sowie Bauteillager verschiedener auf Abbruch und Aushub spezialisierter Unternehmen in Frage. Wo eine Wiederverwendung nicht möglich ist, kommen biobasierte bzw. nachwachsende Ressourcen und Bauteile zum Einsatz die reversibel verbaut sind.
Schnittstelle
Zwischen Stadtachse und Werkgasse
Das Gebäude X wird zum verbindenden Element zwischen den ursprünglich getrennten Welten Industrieareal und Stadtquartier. Die optische Durchlässigkeit der unteren beiden Geschosse bildet einen Kontrast zu den weitgehend geschlossenen Fassaden an der Hohlstrasse und verweist auf die quartierzugewandten Nutzungen. In Anlehnung an den Vorbereich des ehemaligen Magazingebäudes mit seinen punktuellen Öffnungen im Erdgeschoss reicht der Stadtraum hier bis an die Fassade.
Alle nicht zur Erschliessung benötigten Flächen werden konsequent entsiegelt, um eine möglichst grosse Retention und Versickerungsmöglichkeiten zu schaffen. Lose verstreut führen urbane Möblierungselemente wie Veloständer oder im Areal vorgefundene Sitzelemente aus Holz den offenen Garten des Restaurant Nüüni im benachbarten Gebäude Y weiter.
Hybrid
Gestapelte Erdgeschosse
Die Raumstruktur nimmt auf die verschiedenen Anforderungen im gestapelten Werkgebäude Bezug und gewährleistet in jedem Geschoss nutzungsspezifisch maximale Flexibilität bei optimaler Erschliessung. Im Schnitt zeichnen sich drei unterschiedliche Lagen ab: kleinteilig nutzbare Flächen mit Stadtbezug im Erd- und im ersten Obergeschoss, Werkhallen mit grossen Spannweiten im zweiten und dritten sowie im vierten und fünften Obergeschoss und die frei unterteilbare Halle unter dem Dach.
Die an den Gebäudeenden konzentrierte Vertikalerschliessung ist auch Raum für Interaktion. Die seitlichen Flächen sind unterschiedlich bespielbar und werden je nach Bedarf als Sanitärräume, als gemeinsam nutzbare Sitzungszimmer oder individuelle Mietflächen ausgebaut. Im ersten Obergeschoss erweitert die offene Laube den Stadtraum und bindet die Quartiernutzungen über freistehende Treppen direkt an den öffentlichen Raum an. Auf dem Dach wird die gemeinsam nutzbare Fläche um Aufenthaltsflächen im Freien erweitert.
Werkstadt
Industriedenkmal weitertransformieren
In den von parallelen Gleissträngen durchzogenen Hallen rückten die revisionsbedürftigen Bahn-wagen alle 70 Minuten zur nächsten Arbeitsstation vor, bis sie das Werkstattareal in einwandfreiem Zustand wieder verliessen. Während 100 Jahren wurden Arbeitsabläufe und Anlage immer wieder modernisiert, um den Unterhalt von Bahnwagen und Lokomotiven an die neusten Anforderungen anzupassen. Die effiziente Organisation und die funktionalen Zusammenhänge haben die räumliche Struktur der SBB-Hauptwerkstätten bestimmt.
Mit der Redimensionierung der SBB-Werkstatt zum Reparaturzentrum Zürich-Altstetten und der Öffnung des zur Werkstadt transformierten westlichen Arealteils wird die ehemalige Rangierfläche zwischen «Bäder- und Speiseanstalt» und «Holztrocknerei» erstmals durch ein Gebäude überstellt. Der Neubau fügt sich mit seiner strukturell ge-prägten, grossmassstäblichen Erscheinung in das Industriedenkmal ein. An die Tradition der benachbarten Pionierbauten anknüpfend wird das nur auf den ersten Blick homogene Areal mit einer zeit-gemässen Erweiterung ergänzt.
Gestaltungsprinzip
Planen mit Unbekannten
Das Fassadenbild entwickelt sich nach der Verfüg-barkeit der Bauteile und deren Rahmenbedingungen. Die grossformatigen Öffnungen zwischen der aussenliegenden vertikalen Medienerschliessung und den horizontalen Brüstungs- und Sonnenschutzbändern nehmen die für Gewerbe-bauten unüblich kleinteiligen Fensterelemente abgebrochener Wohnsiedlungen auf. Fenster gleicher Dimension werden horizontal addiert und mit weiteren Reihen unterschiedlicher Höhe zu geschosshohen Paneelen verarbeitet. Einseitige Rahmenverbreiterungen gleichen alternierend die auftretenden Masstoleranzen aus. Die optimale Kombination aufeinander abgestimmter Fundstücke prägt die Erscheinung des Werkgebäudes.