Skip to main content

22.11 / Arealentwicklung neue Kirche Zürich Witikon

Studienauftrag 2022

Planungsteam
Auftraggeberinnen – Evang.-ref. Kirchgemeinde Zürich Witikon
Architektur – op-arch | Jasmin Kunst, Jan Heidbrink
Landschaftsarchitektur – Albiez de Tomasi Architekten und Landschaftsarchitekten

Visualisierung – studio maleta

Projektbeschrieb

LA DIVINA COMMEDIA

«Alles wirkliche Leben ist Begegnung» 

Ortsbauliche Komponenten

Das Areal im Herzen des Quartiers Zürich-Witikon ist eingebettet zwischen dem kommerziellen Zentrum an der Witikonerstrasse und dem Schulhaus Langmatt am Heilighüsli, welches in Zukunft mit seiner beträchtlichen östlichen Raumerweiterung die pädagogischen Aufgaben im Quartier weiterführen wird.  Die Häusergruppe ist mehr als eine lose Ansammlung einzelner Häuser und formt einen neuen Ort. Die Gebäude bilden zusammen einen Hofraum und bezie-hen sich so räumlich aufeinander. Das unzertrennliche Paar Kirchturm und Kirchenschiff bleibt geometrisch die Ausnahme, wird aber durch die Foyer- und Bistrogeometrie wieder in die Anlage mit eingebunden. So bleibt die spirituelle Integrität der Kirche als wahrnehmbare Institution im System weiterhin erhalten.

Ein offener Ort für die Durchwegung

Das Areal lädt mit seinen Adressen, eine zur Witikonerstasse, eine zweite beim Kirchturm und Kirchenschiff und eine dritte gegenüber der Schule Langmatt mit Zugangsportalen zur öffentlichen Durchwegung ein. Auf dem Niveau des Hofes führt die allseitig angelegte Arkade die Besucher*innen, die Bewohnenden und die Mitarbeitenden der Institutionen zu den jeweiligen Haupt- und Nebeneingängen. Sämtliche Nutzungen sind über die Arkade erreichbar, selbst der Kindergarten, der Hort und die Kindertagestätte auf dem Niveau des Heilighüsli. So soll das bunte Nebeneinander aller Institutionen über zufällige Begegnungen und Bekanntschaften das offene Areal prägen. Das Ensemble fördert so die traditionell enge Verbindung der Kirche mit dem Quartier über die drei architektonischen Elemente Portal, Arkade und Hof weiter. Die Möglichkeit von Bewegung und In-nehalten ist dabei wichtiges Moment des täglichen Lebens und lässt Synergien und Interaktionen auf dem ganzen Areal zu.

Hofraum ist Begegnungsraum für Vieles

Als Hof wird in der Architektur ein unter freiem Himmel befindlicher, von einem Gebäude und Gebäudeflügeln oder Mauern umgebender Raum bezeichnet. De.wikipedia.org (7.11.22)

Die Hoffläche weist die Proportion eines golden-en Schnittes auf: lateinisch proportio divina, die göttliche Proportion. Akzentuiert wird diese Hof-fläche mit einer Bordüre aus Mägenwiler Muschelkalk. Das Betreten dieses Raumes über die allseitige Arkade hinein in einen kontemplativen, ruhigen Ort unter dem freien Himmel soll zum speziellen Moment werden. Mit der imposanten Linde, der Schwarzerle, der Eibe und einer weiteren neuen Schwarzerle, lässt der baumbestückte Hof mit seiner Kies-fläche und seiner bronzenen Brunnenschale einen Gottesdienst unter freiem Himmel oder das Verweilen unter den Bäumen allein oder in einer Gruppe zu.

Angemessene Durchlässigkeit

Die einzelnen Häuser entsprechen in ihren Ab-messungen der Grössenordnung im Quartier. Die umlaufende Arkade und die Laubengänge auf drei Seiten des Hofes bilden eine «innere Schicht» als Pufferzone zwischen öffentlichem Hof-raum und dem privaten Wohnen in den Ober-geschossen aus. Diese Korridore lassen auf alle Seiten hin Durchblicke in die nahe und ferne Umgebung zu. Umgekehrt finden die Sonnen-strahlen entsprechend dem Tagesverlauf entlang der Fassaden ihren Weg über die grossen Öffnungen ins Herz der Anlage, den Hof. In Anlehnung an das veritable Shakespeare Globe Theatre in London funktionieren die Laubengänge auch als Estrade für mögliche Freiluft-veranstaltungen im Hof.

Nachbarschaftliches Miteinander

Das Wohnen, zusammen mit den öffentlichen und kirchlichen Nutzungen, wird als Angebot für Nähe und Gemeinschaft gelesen. Im Hofgeschoss unter den Arkaden kommt dabei alles zusammen. Hier befinden sich alle Adressen der Wohnungen, die der öffentlichen Nutzungen der Pestalozzi-Bibliothek, der Unterrichts-, Sitzungs- und Arbeitszimmer, des Familien- und Jugend-raumes, der Musikerziehung, des Restaurants und der Co-Working Arbeitsplätze. Die nord-östliche Längsseite der Arkade bleibt als Adresse für die Kirchennutzung, das Bistro und das Foyer erhalten. Selbst der Doppelkindergarten, der Kinderhort und die Kindertagesstätte sind über die Treppen und Aufzüge in die Arkade eingebunden.  Doppelkindergarten, Kinderhort und Kindertagesstätte haben eigene Haupteingänge entlang des Heilighüsli mit ihren vorgelagerten Aussenräumen. Auch das Restaurant mit der Aussenbestuhlung zur Witikonerstrasse ist eine Geste für das Quartier von Witikon.

Der Umgebene Freiraum als Biodiversitäts- und Naturerlebnis

Die kompakte Anordnung der Häuser ermöglicht einen weitgehenden Erhalt der Bäume, die wie ein grüner Schleier um das Areal ziehen. Aus dem Bestand heraus wird das Baumkonzept mit Hainbuchen, Schwarzerlen, Wildkirschen und Feldahorn ergänzt. Spielrasen, struktur- und artenreiche Blumenwiesen unterlegen, je nach Nutzungszuordnung, die umgebenden Freiflächen. Clumbs aus Wildsträuchern bilden Nischen und Verstecke für Fauna und Kinder. Mit ihren Blüten, Beeren und Blattverfärbungen zeichnen sie die Jahreszeiten. Mit dieser naturnahen Gestaltung entsteht ein Dialog zwischen Mensch, Flora und Fauna. Die Biodiversität und die Natur werden zu Erlebnisräumen. Übergeordnet bleibt der ortstypische Quartierscharakter mit dem um-gebenden Freiraum erhalten. 

Wohnen auf dem Areal

Die Architektur widerspiegelt auch die Absicht, bezahlbaren Lebensraum zu schaffen, der durch unterschiedliche Menschen individuell bespielt und angeeignet werden kann. Das einfach strukturierte »Wohnbauregal« nimmt sechzig, über offene Lauben erschlossene Wohnungen auf. Die durch den Holzsystembau strukturierte Grundrissfigur ohne Korridore lässt auf optimierter Fläche diverse Wohnformen zu und erfüllt auch die strengen Vorgaben der Wohnbauförderung. In dieser Konfiguration sind sowohl die kleinen wie auch die grossen Wohnungen äquivalente Teile des zusammenhängenden Ganzen.

Wie wohnt man an einem Hof, welcher nicht nur auf die Wohnbedürfnisse ausgerichtet ist, sondern auch Funktionen des öffentlichen und des spirituellen Lebens aufnimmt? Die kollektiven Räume des Wohnens - Essen und Kochen - sind auf die Erschliessungslauben ausgerichtet, die sich auch für alltägliche Begegnungen oder den schattigen Aufenthalt anbieten. Der Rückzugsraum des Wohnens, das Wohnzimmer und die Loggien, sind nach «Aussen» hin zum Quartier orientiert. So «sprechen» die einzelnen Häuser auch mit der jeweiligen Nachbarschaft vis-à-vis. Das Wohnen, Essen und Kochen ist ein sorgfältig zonierter Sozialraum, der ganztags in Kontakt mit der Sonne tritt und zum »Marktplatz« für das Leben wird. Dieser bietet den Bewohnerinnen und Bewohner, in Anlehnung an die Typologie der Palazzi in Venedig, einen kompakten, kleinen «Minipalast» für das Leben.

Wohnen an der lärmexponierten Witikonerstrasse

Die Schlafzimmer der Wohnungen werden an der lärmexponierten Seite der Witikonerstrasse als Kellerräume angeboten und sind jeweils als Abstellräume (ohne Fensteranteil) der Wohnung zugeordnet und in die AZ eingerechnet. Das Reduit mit WM/Tumbler und einer Fläche 3.0 m2 ist gem. PBG (max. 5m2) nicht in die AZ ein-gerechnet. Sämtliche Wohn-, Essräume können lärmabgewandt ausreichend belüftet werden.

Minimaler CO2 Abdruck

Der modulare Holzelementbau mit den gering-en Spannweiten von 3.30m ermöglicht eine Konstruktion in Trockenbauweise ohne formverleimte Holzbinder. Die Holzdecken erreichen mit einer Schüttung die geforderten Akustikwerte und die Wohnungstrennwände sind in Leichtbau mit Lehmplatten ausgeführt. Die schützende Aussenhülle mit vorfabrizierten Betonstützen und Unterzügen trägt sich selbst und ist mit Lehmbau-steinen (Terrabloc) ausgefacht und an die Holz-konstruktion zurückgebunden. Die PV-Anlage auf dem Dach bringt die notwendige Elektrizität. Der überschüssige Strom wird nach Möglichkeit über ein nachbarschaftliches Verbundnetz (ZEV) eingespiesen. Zur Erreichung des Minergie P-Eco-Labels ist ein über alle Geschosse führender Schacht für die Komfortlüftung (KWL) im Holzsystembau eingeplant. Ziel ist es, mit der vorgeschlagenen systematischen und suffizienten Konstruktion aus Holz, Lehmbausteinen und einem sehr geringen Betonanteil, den durch die Erstellung der Hochbauten verursachten CO2-Ausstoss unter 500 kg/m2 zu senken.

Kurze Wege mit dezentraler und feinmaschiger Gebäudetechnik

Die Medienführung zeichnet sich durch dezentral angeordnete Technikräume und kurze Verteil-wege aus. Die Haupttrassen für Lüftung, Heizung, Frischwasser und Elektro liegen an der Rückwand der Einstellhalle bzw. an den Untergeschosdecken und werden stichartig in die Steigzonen der Wohnungen geführt.

Die Aussenluft wird in drei schattigen Gebäudezwischenräumen gefasst und in die darunter angeordneten Lüftungszentralen geführt, welche lateral an den horizontalen Haupttrassen liegen. Die Fortluft der Häuser am Heilighüsli kann direkt in die ein Geschoss tiefer liegende Einstell-halle abgegeben werden, die dadurch temperiert wird. Die Küchenabluft des Restaurants wird über einen eigenen Schacht über Dach geführt. Die Feinverteilung in den Wohnungen erfolgt aufgrund der Deckenunterzüge und der Brett-stapeldecken des Holz-Systembaus über den Boden. Die Flex-Rohre der KWL, die Elektrorohre und die KW/WW-Röhren finden in der Ebene der Kies-Schüttung Platz, die Bodenheizung oberhalb der Trittschallisolation im Anhydritfliessestrich.

Die Wärmeerzeugung erfolgt mittels Erdwärme-sonden, welche im Grüngürtel rund um die Wohnbauten aufgereiht sind und die Wärme-pumpen für die Aufbereitung von Brauchwarm-wasser und Niedertemperatur-Heizsystem versorgen. Der Strom für die Wärmepumpen wird wie für den Betriebsstrom und den Brauchstrom der Haushalte von der siedlungseigenen PV-Anlage geliefert. Die Wärmeabgabe über die Anhydritböden der Arbeits- und Wohnräume ermöglicht deren sommerliche Auskühlung und die Regeneration des Erdspeichers im Free-cooling-Betrieb.

Der sommerliche Wärmeschutz erfolgt auf der Hofseite durch die Eigenverschattung der Laubengänge und dahinterliegende Senkrechtmarkisen, auf der Aussenseite durch die eingezogenen Loggien mit Senkrechtmarkisen sowie durch Knickarmmarkisen (Attika) und durch Fallarm-Markisen (Regelgeschosse), welche eine Verschattung mit freibleibender Aussicht ermöglichen.

Die Kirche – Das ISOS und andere baugeschichtliche Referenzen

Die städtebauliche Komposition von Hofraum, Kirchturm und Kirche wird wie im ISOS beschrieben als zusammengehörige – aus unserer Sicht untrennbare – Einheit erhalten. Der Kirchenraum weist eine prägnante, heute verdeckte Tragstruktur auf. Das imposante Beton-Tragwerk, welches als eine moderne Interpretation eines gotischen Netzgewölbes gelesen werden kann, wird frei-gelegt und zum gestalterischen Thema gemacht. Damit erschliesst sich auch die Funktion der stil-bildenden, aussenliegenden Eck-Strebepfeiler, welche den horizontalen Gewölbeschub aufnehmen. Die ebenfalls prägenden Lamellen in den Seitenfassaden werden wieder freigelegt und auf der Innenseite mit einem Hochleistungs-Dämmputz und einer geätzten Isolierverglasung thermisch ertüchtigt.

Die Unterteilung der Gewölbehalle in den Kirchenraum und den Kirchgemeindesaal nimmt strukturell und gestalterisch Bezug auf das Gewölbe und schafft zwei ungewöhnliche Räume mit jeweils eigenem Charakter: Der Kirchenraum orientiert sich fächerartig zum Schlussstein der Betonstruktur im Gewölbescheitel, womit eine aufstrebende, sakrale Raumdynamik entsteht, die im Zusammenspiel mit den Lamellen der nördlichen Seitenfassade steht. Der akustische Raum-abschluss erfolgt im Gewölbebereich mittels einer facettierten Verglasung, welche die Netz-geometrie übernimmt und auf Höhe des Gewölbegurtes in die darunterliegende, vertikal facettierte modulare Trennwand überführt. Die östliche Stirnwand wird zum prägenden Bestand-teil des raumbildenden Wandpolygons, auf dem das Gewölbe aufliegt. Sie bietet räumlich und akustisch ideale Voraussetzungen für die Platzierung der bestehenden Orgel. Eine Galerie nimmt die Orgel und das Steuerpult für Licht und Ton auf, darunter findet sich ein Möbelmagazin, das auch Platz für die liturgischen Möbel und Podestelemente bietet.

Der Kirchgemeindesaal liegt auf der sich verjüngenden, flach abfallenden Seite der Gewölbehalle und erhält im Bereich des heutigen Hauptzuganges eine Bühne für Veranstaltungen. Seine trapezförmige, geneigte Raumgeometrie steht in idealer Beziehung zum Bühnenraum und bietet beste Voraussetzungen für einen Raum-klang ohne stehende oder zirkulierende Echos. Dasselbe gilt auch für die Geometrie des Kirchenraumes.

Die Raumakustik wird in beiden Räumen über ein innenliegendes, reliefartiges Futteral aus Holz-paneelen kontrolliert. Einerseits besitzt das Material Holz eine natürliche Schall-Absorptions-fähigkeit und sorgt für einen buchstäblich «warmen Klang», andererseits kann mit glatten Ober-flächen nahe der Tonquellen, also der Bühne respektive dem zentralen Raum für Kanzel und Chor, sowie perforierten Oberflächen und Absorbern im Rückraum die Frequenzen des Klangspektrums, die Nachhallzeit und die Sprachverständlichkeit in ein gutes Gleichgewicht gebracht werden.

Die Lichtgestaltung bezieht sich massgeblich auf die Geometrie, Struktur und Nutzung der Räume. Mittels abgehängter Tiefstrahler, peripheren «Wallwashern» und Akzentleuchten lassen sich ganz unterschiedliche Raumstimmungen erzeugen. Dabei steht nicht die Licht-quelle selber im Vordergrund – es sei denn mit inszenatorischer Absicht – sondern ihre Licht-wirkung setzt die raumbildenden Elemente und die jeweiligen Protagonisten in Szene: ein dezent aufgehellter Boden verwischt die Raum-konturen und sorgt für eine kontemplative Stimmung, das aufgehellte Gewölbe strahlt Erhabenheit aus, eine Streif-Beleuchtung der Umfassungswände betont den aufstrebenden Raum bis hin zu einer gewissen Dramatik, eine selektive, flächige Wandbeleuchtung beeinflusst die «Orientierung» des Raums, punktuell gerichtetes oder augenfällig inszeniertes Akzent-licht sorgt für stimmungsvolle Kontraste. Wenn beide Säle gleichzeitig bespielt werden, kann die facettierte Glasstruktur unter der Kuppel dank elektrochromem Glas abgedunkelt werden.